Der deutsche Papst

„Annuntio vobis gaudium magnum. Habemus Papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Iosephum, Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger, qui sibi nomen imposuit Benedicti Decimi Sexti!“

Zu Deutsch: „Ich verkünde euch große Freude. Wir haben einen Papst: Seine Eminenz, den hochwürdigsten Herrn Joseph, der Heiligen Römischen Kirche Kardinal Ratzinger, der sich den Namen Benedikt der Sechzehnte gegeben hat.“

Papst Benedikt XVI. am 17. Juli 2008 auf dem Fest der Begrüßung während des XXIII.eltjugendtags in Sydney.
Foto: Bistum Regensburg


Mit diesen Worten trat der Kardinalprotodiakon Jorge Arturo Medina Estévez am Abend des 19. April 2005 auf den Balkon des Peterdoms und verkündete damit die Wahl Benedikt XVI. zum ersten deutschen Papst seit Hadrian VI. im 16. Jahrhundert. Besonders in Deutschland wurde dieses Ereignis mit großer Aufmerksamkeit bedacht: Die BILD veröffentlichte ihre legendäre Schlagzile „Wir sind Papst!“, die „taz“ titelte „Oh mein Gott!“. Nach seiner Emeritierung im Jahr 2013 verbrachte er seinen Ruhestand dann im Kloster Mater Ecclesiae in Rom, wo er an Silvester 2022 verstarb. Ein Nachruf.

Am Dienstag, den 10. Januar dieses Jahres machte ich mich abends auf den Weg in den Regensburger Dom. Requiem für Papst Benedikt, zelebriert von Bischof Rudolf. Ich nehme platz und komme mit einer älteren Dame ins Gespräch. Sie wohne in Pentling, dem Dorf in dem auch Joseph Ratzinger eine ganze Zeit lang zuhause war. Beinahe täglich sah man ihn in der Zeit seiner Tätigkeit als Professor an der Uni Regensburg dort, wartend auf den Bus in Richtung Universität. Er habe viel gesprochen, berichtet die Frau. Mit allen, auch später noch, als er bereits Bischof und Kardinal war und hohe Ämter in der katholischen Kirche bekleidete. Die Zeit habe er sich immer genommen.

Papst Benedikt wurde am Karsamstag des Jahres 1927 in Marktl am Inn geboren, dort verbrachte er seine frühe Jugend. Die Familie zog aufgrund der vielen Versetzungen des Vaters oft um, Ratzingers Umfeld wandelte sich stetig. Eine der wenigen Konstanten: Die Kirche. Ministrant war er in jeder einzelnen der Pfarreien. 1939 trat er in das Studienseminar St. Michael in Traunstein ein, ein Gymnasium mit Fokus auf katholischer Ausbildung.

Im selben Jahr wurde er auch für die gesetzlich verordnete Jugenddienstpflicht in die Hitlerjugend eingezogen. Ein Umstand, der dazu führte, dass er nach seiner Wahl zum Papst unter anderem als „Nazi-Papst“ betitelt wurde. Er selbst erzählte dem US-Journalisten John L. Allen, dass sein Cousin mit Down-Syndrom im selben Jahr im Rahmen der Krankenmorde der Nazis umgebracht wurde. Im Krieg sollte er noch mehrmals gegen seinen Willen eingezogen werden.
Nach dem Krieg begann Ratzinger ein Studium der Theologie und Philosophie an den Universitäten Freising und später auch München. Auch wenn er nach Abschluss des Studiums zum Priester geweiht wurde, hing sein Herz an der wissenschaftlichen Arbeit. Ratzinger dissertierte mit dem Prädikat „summa cum laude“ und habilitierte mit 31 Jahren an der Ludwigs-Maximilians-Universität München im Fach Fundamentaltheologie. Als er 1969 zum Professor an die Universität Regensburg berufen wurde, war er bereits einer der angesehensten Theologen der Weltkirche.

Zurück im Requiem. Auch hier sind Benedikts Leistungen als Theologe omnipräsent. „Papst Benedikt hat die Menschen gestärkt durch die Gabe des Wortes“, so Bischof Rudolf in seiner Predigt. Er habe es verstanden, sein immenses Wissen über den Glauben und seine Interpretation der Heiligen Schrift einfach und verständlich den Gläubigen näherzubringen. Papst Benedikt XVI. werde in die Geschichte eingehen, ist sich der Bischof sicher, als „der Theologenpapst. Nicht in dem Sinne, dass er etwa nur für Theologen geschrieben habe, sondern in dem Sinne eines großen Lehrers der Kirche, dem es gegeben ist, komplexe Zusammenhänge einfach und klar darzustellen und all dies zugleich in einer schönen Sprache.“ Jene hat ihm schon den Ehrentitel „Mozart der Theologie“ eingebracht.

Es wird diese Fähigkeit gewesen sein, den Glauben durch Predigten verständlich und greifbar zu machen, die Joseph Ratzinger aus Marktl am Inn, einem Dorf in der bayerischen Provinz, eine außerordentliche Karriere in der katholischen Kirche ermöglichte: Diese beginnt 1951 mit der Priesterweihe in Traunstein, gemeinsam mit Bruder Georg.

Dieser wird Domkapellmeister in Regensburg, während Joseph im Jahre 1977 nach seiner aufmerksamkeitserregenden Akademikerkarriere von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising berufen wird. 1981 betraut ihn der Papst Johannes Paul II. mit der Leitung der Römischen Glaubenskongregation. In dieser Zeit profiliert er sich als katholischer Hardliner und erlangt den Ruf des „strengen Glaubenswächters“, der ihm von nun an voraus eilen sollte. 1982 verzichtet Ratzinger auf den Vorsitz der Erzdiözese München-Freising und geht nach Rom, wo er sich wieder der Theologie widmen möchte.

Innerhalb von 11 Jahren wird unter seiner Leitung der Katechismus der Katholischen Kirche erarbeitet, ein Wegweiser für den Glauben der die 10 Gebote präzisieren und ein Handbuch für jeden Gläubigen sein soll. In diesem Jahr, 1992, wird er auch wieder mit einem geistlichen Amt betraut, er wird Kardinalbischof von Velletri-Segni in Italien. Immer wieder sagt Ratzinger in dieser Zeit öffentlich, dass er sich seinen Ruhestand herbeisehne, um endlich weiter Bücher schreiben zu können. Dennoch kann ihn Papst Johannes Paul II. zu insgesamt vier Amtszeitverlängerungen überreden.

Schlussendlich wird er 2002 Dekan des Kardinalkollegiums und ist damit der mächtigste Mann im Vatikan nach dem Papst. Die Krönung der „Karriere“ erfolgt am 19. April 2005 mit der Wahl zum 295. Nachfolger des Apostels Petrus und damit zum Statthalter Gottes auf Erden.

Im Dom zu Regensburg steht an diesem Januartag des Requiems ein großes Gemälde im Altarraum. Zu sehen ist Benedikt im Papstgewand, demütig auf einer Gebetswand kniend. So zeigte sich der Papst oft: als loyaler Diener, treu ergeben. Eben der oberste Diener Gottes.
Über die Person Benedikt XVI. darf gestritten werden, seine Lehre mag Leuten missfallen. Doch mir wurde an diesem Abend eine Sache klar: Die Welt hat mit Joseph Ratzinger einen der größten Theologen, aber auch einen der klügsten Köpfe der Moderne verloren.

Das Motto seines Papstbesuchs in Regensburg 2006 war: „Wer glaubt, ist nie allein – im Leben nicht und auch im Sterben nicht“. Möge dies auch für „unseren“ deutschen Papst gelten,

Ruhe in Frieden, Papst Benedikt.

Tim

Hinweis: Wer mehr über Papst Benedikt und seinen Nachfolger, Papst Franziskus, wissen möchte, dem sei an dieser Stelle der Film „Zwei Päpste“ ans Herz gelegt. Ein begeisternder Film mit Anthony Hopkins als Papst Benedikt.